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zuletzt aktualisiert am:01.05.2012
Praxis Dr. Horst-W Reckert
 
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Die Sprache des Kanzlers

Modelling der verbalen Rhetorik
des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder


Gerhard Schroeder

Dr. Horst-W. Reckert, Neue Strasse 16, 72070 Tübingen,
Fon: 0171 – 9 14 97 67 , E-Mail: kontakt@dr-reckert.de;
www.dr-reckert.de

Dr. Andreas Zeuch, Winzerstr. 10a, 69126 Heidelberg,
Fon: 06221 – 801 442, Fax: 06221 – 895 871; E-mail: a.zeuch@gmx.de;
www.a-zeuch.de & www.professionelle-intuition.de

Andreas Panthöfer , c/o Radio 7 Hörfunk GmbH & Co KG, Gaisenbergstr. 29, 89073 Ulm
andreas.panthoefer@radio7.de







Nutzen für den Leser

Sie erhalten einen Überblick über das Modellieren von Verhaltensmustern. Ein Impuls zum Thema Modellieren von Sprachmustern ergänzt das Artikel-Thema. Am konkreten Beispiel unseres ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder lernen Sie die sprachliche Exzellenz einer Top-Führungskraft aus der Politik kennen. Die Sprachmuster werden vorgestellt, interpretiert und in ihren Kernmustern aufbereitet. Abschließend werden der Lerntransfer und seine Methodik für Modelling-Projekte diskutiert. Der gesamte Artikel ist ausführlich bei den Autoren als Skript erhältlich.

In dieser Überblicksgrafik finden Sie die verbalen Erfolgsmuster von Gerhard Schröder:



Um es gleich vorweg zu sagen... von Andreas Panthöfer

Selbst unter journalistischen Beobachtern, die ihm als politisch nahestehend zugerechnet werden dürfen, gilt Gerhard Schröder nicht gerade als rhetorisches Genie. Mal ganz davon abgesehen, dass es in Berlin heißt, nur die Hälfte der sprachlichen Exzellenz des Kanzlers gehe wirklich auf sein Konto; den Rest hätten Ghostwriter im Schweiße ihres Angesichts hervorgebracht. Trotzdem ist es durchaus lohnenswert, sich mit der Sprache Gerhard Schröders zu beschäftigen.
Warum? Weil es – wir erinnern uns an NLP-Basics – nun mal völlig unterschiedliche Filter gibt, und die der Journalisten unterscheiden sich zum Teil grundsätzlich von denen mancher NLP-Profis wie etwa den beiden Autoren Dr. Horst-W. Reckert und Dr. Andreas Zeuch. Sie haben im gegenwärtigen Kanzler einen pfiffigen Anwender der Milton-Sprache ausgemacht und stürzen sich mit wissenschaftlicher Akribie darauf, hinter das Geheimnis seiner Sprach-Muster zu kommen, es plausibel und nachvollziehbar zu machen, auf dass so mancher davon profitieren möge. ¨Modellieren´ nennt der gestandene NLPler das heute, früher hätte man vielleicht etwas respektlos ´Abgucken´ dazu gesagt.
Nun, die Begeisterung meiner beiden NLP-Kollegen über die bewusste oder unbewusste Anwendung von Milton-Tricks in der Sprache des Kanzlers kann ich nicht hunderprozentig teilen. Was zum einen daran liegen mag, dass mein Gaumen als einfacher NLP-Practitioner vielleicht für solch einen Leckerbissen wie die Sprachmuster Gerhard Schröders noch nicht ausreichend geschult ist. Zum anderen aber macht mir definitiv mein Journalisten-Filter Schwierigkeiten. Denn Journalisten sind ja gerade darauf aus, dort für Klarheit zu sorgen, wo vorher jemand im dankbaren Gedenken Milton Ericksons Nebelbomben geworfen hat - bildlich gesprochen natürlich.
Journalisten verkörpern gewißermassen das personifizierte Meta-Modell - sie sollten es zumindest. Und das Meta-Modell stellt bekanntermaßen das Gegenstück zur Milton-Sprache dar, ist ihr diametral entgegengesetzt. Dort, wo nach Milton verallgemeinert wird, fragt das Meta-Modell: “ist das wirklich immer so?”. Dort, wo listig mit “weil... deshalb” Zusammenhänge hergestellt werden, hinterfragt das Meta-Modell, ob die Kausalität denn so tatsächlich gegeben sei. Und auch auf den Einsatz von Modal-Operatoren (muss, sollte usw.), reagiert das Meta-Modell allergisch: “Sollten/ müssen wir wirklich? Was passiert, wenn nicht?” Die Milton-Sprache verschleiert also, wo der Journalist den Schleier lüften möchte.
Und genau hier liegt der Nutzen einiger Sprachmuster, die Horst-W. Reckert und Andreas Zeuch beim Kanzler entdeckt haben: Sich nach Sepia-Art in eine Tintenwolke zu hüllen, wo ein Angriff durch Widersacher oder – noch schlimmer – spitzfindige Fragesteller droht, etwa in einem Interview über ein heikles Thema. Das Motto lautet hier: Um Himmels Willen keine Fakten nennen, nur nicht konkret werden! Man könnte später gerade dann mit seiner Aussage konfrontiert werden, wenn man es am wenigsten braucht. Es darf und soll also geschwafelt werden. Dann ist man vor allem für mächtige Gegner nicht greifbar, also auch kaum an-greifbar.
Aber Vorsicht, das gilt nicht überall. Schließlich wird die Milton-Sprache auch erfolgreich in der Hypnose eingesetzt, weil sie wegen ihrer Vieldeutigkeit einen Suchprozess im Unterbewussten und damit einen Trancezustand auslöst. Wer also seine nächste Ansprache mit dem festen Vorsatz angeht `Milton ist immer gut`, könnte bei den Zuhörern weit mehr tiefe Entspannung auslösen als erwünscht.
Beim politischen Aschermittwoch in Passau etwa hätte man für die diplomatisch-geschliffene Feinsinnigkeit mancher Schröder-Auftritte nicht wirklich viel übrig. Hier erwartet man, dass Ross und Reiter genannt werden. Desto direkter, desto besser. So wie Franz-Josef Strauss (1974 in Sonthofen in einer Rede an die Seinigen) mit den Worten zitiert wird: "Die Charakterlosigkeit der FDP verbunden mit ihrem Selbsterhaltungstrieb ist eine der zuverlässig berechenbaren Komponenten." Das hat mit Milton nicht viel zu tun, oder?
Und noch eine Einschränkung sei augenzwinkernd anempfohlen: Nicht übertreiben mit der Milton-Sprache. Wer beim öffentlichen Auftritt seinem Publikum des Guten zuviel gönnen möchte, könnte sonst enden wie ein gewisser Werner Bornheim, fiktives MdB aus der Feder von Loriot. Wir erinnern uns an Bornheims legendäre Rede, die wie folgt beginnt:
“Meine Damen und Herren, Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch – ohne darumherumzureden – in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenige Worte zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens, die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftsweisenden Parteiprogramms...”
Werden Sie ruhig konkreter, ein bisschen wenigstens. Nicht nur Journalisten würden es Ihnen danken.




I) Modelling: Was ist das und wie läuft es ab?

Modelling entschlüsselt die unbewusste Kompetenz der Exzellenz
Modelling fokussiert auf exzellentes Verhalten, das Menschen in bestimmten Kontexten zeigen. Darunter verstehen wir den Prozess, dieses komplexe Verhalten in kleinere, leicht nachvollziehbare Mini-Muster auf zu schlüsseln. Der Lernbereite kann dann seine Verhaltensmuster mit den Erfolgsmustern des Modelles anreichern. Dieses Anreichern macht erforderlich, dass der Lernende nachspürt, was zu seiner Identität passt und was nicht. Das Modelling ähnelt in seiner Grundabsicht dem Benchmarking und der Erfolgs-Faktoren-Analyse.
Anfang der Siebziger Jahre liegen die Wurzeln des NLP-Modellings: Richard Bandler und John Grinder begannen damit, die verbalen und non-verbalen Erfolgs-Muster Virginia Satirs, Fritz Perls und Milton H. Ericksons herauszuarbeiten. Bandler und Grinder begaben sich für das Modelling von Milton Erickson teilweise in eine ähnliche Physiologie, der eines Rollstuhlfahrers.
Die faszinierenden Ergebnisse dieser Arbeit sind allen NLP-Kundigen bekannt: Reframing, Submodalitäten und diverse Interventionen wie beispielsweise das Utilisationsprinzip von Erickson. Es entwickelten sich verschiedene Modelling-Stile, die für diverse Ziele unterschiedlich gut geeignet sind und im Folgenden kurz dargestellt werden:

Dilts hat mit Modelling das ISVORDILTS-Leadership-Modell entwickelt
Robert Dilts entwickelte seinen eher strategiebetonten Modelling-Stil weiter und begann, ihn im Bereich Management, Organisations-, Personal- und Teamentwicklung einzusetzen. Er hat in seinem ISVORDILTSLeadership-Modell bei Fiat eindrucksvoll die Kernkompetenzen von Führungskräften zusammengestellt.
Dabei hat er mit impliziten und explizitem Modelling gearbeitet. Beim impliziten Modelling bildet der Lernende oder der Modellierende aus der Meta-Position Hypothesen über das, was das Modell beispielhaft vermag. Beim expliziten Modelling wird das Modell intensiv befragt, um die unbewusste Kompetenz mehr und mehr zu entschlüsseln.

Grinder arbeitet mit Schauspielern am intensiven second-position-shift
Etwas subtiler wirkt das Modelling-Konzept von John Grinder. In Seminaren wie „Advanced Modeling“ zog er Parallelen zu schauspielerischen Identitätswechseln und lud eine Theaterschauspielerin ein, um den TeilnehmerInnen das Studium solcher Identitätswechsel zu ermöglichen. Grinders Modelling ist in diesem Sinne eher zur Arbeit an der persönlichen Meisterschaft (nach P. Senge) geeignet, da sie – aus unserer Sicht – durch den intensiven Second-Position-Shift etwas tiefer gründet als das Diltsche Modelling.

In England entwickelten Penny Tompkins und James Lawley in der „Developing Company“ Modelling-Versionen, die eine Mischung aus Dilts und Grinder darzustellen scheinen: Auch sie gehen wie Dilts in den Wirtschaftsbereich und untersuchen Modelling in Organisationen allerdings mit dem Grinder’schen Schwerpunkt unbewusster Prozesse. In verschiedenen Artikeln (Lawley 1998; Tompkins/Lawley 1998) beschreiben sie ihre Erfahrungen (vgl. Zeuch 2000).


Das Buch „Magie der Erfolgreichen“ entschlüsselt die Erfolgsmuster Prominenter
Wolf W. Lasko & Frank Frenzel haben 1996 mit ihrem Buch „Die Magie der Erfolgreichen“ die Erfolgsmuster prominenter Deutscher reflektiert: Henry Maske, Thomas Gottschalk, Michael Schuhmacher, Steffi Graf, Claudia Schiffer, Franz Beckenbauer, Boris Becker u.v.a. Der Ansatz von Lasko & Frenzel unterscheidet sich durch die quantitative Methodik von der Vorgehensweise von Robert Dilts bzw. John Grinder.

Coaching unterstützt Modelling
Coaching ist eine hervorragende Möglichkeit, den Lerntransfer zu unterstützen. Der Coaching-Modelling-Loop bedeutet, dass im Modelling das Wie? entschlüsselt wird, im Coaching das Was?.

Der Modelling-Output-Loop: Den Output des Modelling quantifizieren und das Beste erneut modellieren
Modelling ist eine Strategie mit hoher Effektivität: Statt nach Versuch und Irrtum auszuprobieren erscheint es sinnvoller, bereits bewährte Erfolgs-Muster anzuwenden. Diese Outputorientierung war die Methodik zu Beginn des NLP: Erfolgsmuster in der Kommunikation, die Ihren Erfolg bereits gezeigt haben, zu etwas Neuem zusammenzufassen. Den Output zu quantifizieren und die besten Ergebnisse erneut zu modellieren, kann künftig ein wichtiger Regelkreis sein. Der Modelling-Output-Loop besteht darin, die nach dem ersten Modelling bezogen auf den Output erfolgreichsten Mitarbeiter erneut zu modellieren. Beispielsweise könnten im Vertrieb die aktuell stärksten Mitarbeiter als neue Modelle für den zweiten Modelling-Durchgang ausgewählt werden.

Modellieren von Sprachmustern
Modellieren von Sprachmustern heißt im Rahmen des NLP die eher vage Milton-Sprache (in Würdigung des bedeutenden Hypnotherapeuten Milton H. Erickson) und die eher konkrete Meta-Sprache näher zu beleuchten.
Die Sprache repräsentiert über die jeweiligen Repräsentationssysteme die mentale Landkarte des Kommunikators. Die Landkarte, Glaubenssätze und Werte entwickeln sich durch Erfahrungen. Diese unterliegen neurologischen, individuellen und kulturellen Einschränkungen. Das, was sprachlich kommuniziert wird, ist die Oberflächenstruktur. Durch präzisierendes Nachfragen, den Fragen aus dem Meta-Modell der Sprache, lässt sich die Tiefenstruktur erschließen. Die immer wieder auftauchenden Generalisierungen, Löschungen und Verzerrungen können mit dem Meta-Modell präzisiert werden.
Verschiedene Milton-Sprachmuster sprechen das Unbewusste des Zuhörers an: beispielsweise Gedankenlesen, Mehrdeutigkeiten, temporale Nebensätze oder auch indirekte Aufforderungen.


Kriterium der Auswahl des Modells und Quellen
Die Wiederwahl zur 2. Legislaturperiode nach anfänglichen schlechten Umfragewerten und das Image als Medienkanzlers waren der Auslöser, Gerhard Schröder als Modell auszuwählen. Persönliche Beobachtungen bei Wahlkampfkundgebungen, Fernsehsendungen und Artikel aus Zeitungen bzw. dem World-wide-web waren die Quellen für das Modelling, die im Skript ausführlich angegeben sind.

II) Die Sprachmuster von Gerhard Schröder

Vor einer Gruppe von Kollegen als Ansprache ohne Interaktion

Darstellung von Standpunkten
Jeder, der sich mit kontroversen Ansichten auseinandersetzt, steht vor der Aufgabe, seinen Standpunkt zu kommunizieren ohne unnötigen Widerstand zu erzeugen: Das gilt für Vater und Mutter in einer Familie ebenso wie für den Vorstand eines Sportvereines. Markieren der Aussage als Ich-Aussage ohne Verallgemeinerungen oder moralische Vorhaltungen mit indirekter Ansprache des Adressaten („Wer an die Stelle ....“) ist offenbar eine Lösungsoption.

„Ich sage: Wer an die Stelle des Ziels, Inspektoren ins Land zu bringen, das Ziel der gewaltsamen Beseitigung des Regimes setzt, hat die Position der UNO falsch verstanden.
(Zum Finanzplan des Bundes am 13. September 2002)
Schröder grenzt die eigene Aussage mit indirekter Ansprache von Personen (wer..) ab. Er beschreibt die Haltung als falsch verstanden und bleibt so neutral beschreibend ohne Bewertung der Personen.

Ich akzeptiere nicht, dass Menschen, die arbeiten wollen und können, zum Sozialamt gehen müssen“. (Regierungserklärung 14. März 2003)
Der Ausdruck „Nicht-Akzeptieren“ bedeutet ohne Beurteilung einen Sachverhalt nüchtern und sachlich darzustellen. Die Differenzierung zwischen der Bereitschaft und der Fähigkeit zu arbeiten erzeugt einen engen Bezug zur Wirklichkeit und grenzt so die Arbeitswilligen von den Unwilligen ab.


Kommunizieren einer Vision oder eines mittelfristigen Zieles
Wer andere Menschen führen möchte oder auch muss, benötigt Sprachmuster, die die grobe Richtung einer Entwicklung darstellen. Eine Vision erzeugt bei vielen, an der Basis arbeitenden Menschen, bereits durch das Wort einen Widerstand. Die Gründe können unterschiedlicher Natur sein: Einige mögen vielleicht denken, dass dies womöglich nicht realisiert werden könne, während andere meinen, sich aus ideologischen Gründen abgrenzen zu müssen.

„Die Bundesregierung tritt ihr neues Mandat mit dem festen Willen an, unser Land weiter zu erneuern. Innovationen brauchen gewiss Geduld und gelegentlich einen langen Atem. Auch wenn der Weg der Reformen mitunter beschwerlich ist, wir werden nicht nachlassen“.
(Zur Innovationsnotwendigkeit in Deutschland, Regierungserklärung vom 29. Oktober 2002)
Der Kanzler hebt die Absicht als festen Willen hervor. Er impliziert, dass das Land bereits erneuert wurde durch den Terminus „weiter“ erneuern. Er räumt durchaus Schwierigkeiten ein und „verniedlicht“ diese mit den Adverbien „gewiss“ bzw. „gelegentlich“ in positiv formulierten Bildern. Er beendet die Auch-wenn-Aussage mit einer Absichtserklärung für die Zukunft.

„Hören wir auf, immer nur zu fragen, was nicht geht. Fragen wir uns, was jede und jeder Einzelne von uns dazu beitragen kann, dass es geht.“
(Zur Reform des Arbeitsmarktes, Regierungserklärung 29. Oktober 2002)
Der Appell von Schröder in der Wir-Form führt zu einer größeren Nähe zur Bevölkerung sowie weg vom Problem hin zur Lösung, Schröder spricht jeden und jede einzeln nach Geschlecht differenziert an. Dadurch würdigt er beide Geschlechter.

„Die Arbeit, die mit der Konsequenz aus dem 11. September verbunden ist, ist eben nicht zu Ende gebracht. Denn zu dieser Konsequenz gehört, dass wir nicht nur militärisch intervenieren, um die Taliban zu bekämpfen, sondern auch, dass wir vor den Augen der Völker der Welt mit dem wirklich vorankommen, was im Englischen „nation building“ heißt.“
(Vor dem deutschen Bundestag am13. September 2002)
Der ehemalige Bundeskanzler verwendet ein Synonym für ein Ereignis (11. September), er betont seine Aussage mit „eben nicht“. Er verknüpft Gedanken mit „nicht nur...sondern auch“, und der bedeutendere Teil der Botschaft steht im „sondern auch“; Er deutet zumindest Englisch-Kenntnisse an, vermutlich um eine gewisse internationale Kompetenz auszustrahlen.


Kommunikation zu Kollegen nach einer Niederlage der Kollegen
Die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden ist eine zentrale Aufgabe von Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten. Offenbar ist es wichtig, dieser Gruppe durchaus Ihre Beschränkungen deutlich zu machen, um so das eigene Machtrevier abzustecken.

„Meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann ja verstehen, dass Sie wegen der verlorenen Wahl immer noch ein wenig sauer sind. Wenn man in Ihre Gesichter schaut, merkt man es Ihnen an. Ich kann das gut nachvollziehen. Sie haben alle sich schon auf der Regierungsbank sitzen sehen und nun ist es wieder nichts geworden.“
(Regierungserklärung vor dem Bundestag 29. Oktober 2002)
Schröder versetzt sich durch den Perspektivenwechsel (kann ich verstehen, gut nachvollziehen) mit Gedankenlesen (sie haben sich schon sitzen sehen) und den Evidenzen (ihre Gesichter) in die Position der Oppostion. Er umrahmt die geplatzte Zielvorstellung als zweite, wiederholte und so noch peinlichere Erfahrung für die Opposition.

Wenn Sie so weitermachen, wird es auch so bleiben; seien Sie sich dessen ganz sicher: Wie man hört, sind Sie auf dem besten Wege so weiterzumachen.“
(Regierungserklärung vor dem Bundestag 29. Oktober 2002)
Gerhard Schröder kommuniziert eine Prognose mit einer wenn...dann-Formulierung und Bestimmtheits-Aussage (seien Sie sich ganz sicher). Er schließt den Gedanken mit einer Induktion. Der induktive Schluss bleibt dem Zuhörer überlassen (es wird so bleiben). Das unpersönliche Personalpronomen („man“) sehen wir als eher vage und unpersönliche gehaltene Aussage, die weniger Konfrontationsfläche liefert.


Kritik oder Maßregelung
Feedback zu äußern und Kritik zu adressieren ist eine wichtige Schlüsselqualifikation für Führungskräfte. Dies gilt insbesondere Führungskräfte, die dem täglichen Spiegel der Presse ausgesetzt sind. (die indirekte Ansprache des Kontrahenten, Falschaussagen als Verzerrrungen umzudeuten s. Skript )

„Herr Stoiber, Sie haben über die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung geredet. Sie haben uns vorgeworfen, wir seien es gewesen, die die soziale Balance nicht hergestellt hätten. Welch ein Vorwurf, ausgerechnet von Ihnen!
(Zum Finanzplan, vor der Bundestagswahl am 13. September 2002)
Gerhard Schröder empört sich mit einem Ausruf, der mit einem Fragewort beginnt und dem Zusatz (ausgerechnet von Ihnen). Das ist eine eher sachlich gehaltene persönliche Kritik am Kandidaten für das Kanzleramt.

„Mit dieser Art von oberflächlicher Behandlung, man könnte auch sagen, Verlogenheit, kommen Sie nicht weiter.“
(Zum Finanzplan, vor der Bundestgswahl am 13. September 2002)
Schröder deutet die Verlogenheit als oberflächliche Behandlung um und er kündigt den ersten Begriff mit einer Einleitung an (man könnte auch sagen).


Ausdruck von Anerkennung und Würdigung
„Sowohl auf der Angebots- und Nachfrageseite haben wir eine vernünftige Steuerpolitik gemacht. Die ist mit dem Namen von Bundesfinanzminister Hans Eichel verbunden.“
(Zum Finanzplan, vor der Bundestagswahl am 13. September 2002)
Schröder würdigt das Werk seines Mitarbeiters mit dem Zusatz der Verbindung mit Vorname, Name und Funktion. Mit diesem indirekten Lob kann in manchen Kontexten die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit erhöht werden. Speziell gilt dies für Unternehmens-Kulturen, die einem direkten Lob Misstrauen entgegenbringen. Beispielsweise weil mit einem Lob eine später erfolgende direkte Forderung an den Lobadressaten verbunden ist.


An Gruppen außerhalb der Regierung
Bei der Kommunikation an Gruppen außerhalb der Regierung erscheinen Appelle für das Durchhalten, der Wechsel in die Ihr-Form sowie emotional gefärbte Begriffe aus der Erlebniswelt der Personen als Erfolgsfaktoren.

Kommunikation einer Vision
„Auch wenn es schwierig ist, auch wenn es Rückschläge geben mag in Eurem Bemühen, haltet fest an dem Bild einer multipolaren Welt, haltet fest daran, so weit und so lange es irgend geht, die Konflikte dieser Welt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Wir wollen das versuchen.“ (Zur Vision einer multipolaren Welt, Eröffnungsveranstaltung Ökumenischer Kirchentag 28. Mai 2003)
Schröder appelliert zur Vision in der Du-Form mit einräumendem auch-wenn und einer Ausweitung auf Ort (so weit) und die Zeit (so lange). Die Wir-Aussage bleibt eine Absichtserklärung und bleibt so glaubwürdig.


Bezug auf eine Rede, Gottesdienst o.ä.
Und ich glaube auch die dritte Botschaft verstanden zu haben, die schlicht heißt: ... “
(Eröffnungsveranstaltung Ökumenischer Kirchentag 28. Mai 2003)
Schröder schwächt die eigene Erkenntnis (ich glaube)ab und betont die folgende Aussage mit dem einleitenden Wort „schlicht“.

„Und dieser drei Botschaften wegen und im Sinne dieser drei Botschaften wünsche ich Ihnen hier in Berlin wunderbare Tage des Gespräches und die noch schönere Erfahrung menschlicher Nähe
(Eröffnungsveranstaltung Ökumenischer Kirchentag 28. Mai 2003)
Gerhard Schröder setzt einen Rahmen Framing) zu Beginn einer Veranstaltung mit einer Steigerung am Ende des Satzes und der Hervorhebung des Wertes der „Menschlichen Nähe“.


Kritik
„Bisher wusste ich nicht, dass Trillerpfeifen zu den gewerkschaftlichen Argumenten gehören“
(Kommentar beim Auftritt vor der Gewerkschaft am 2. Mai 2003)
Der Kanzler deutet eine missliche Situation als Überraschung oder eine neue Erkenntnis für ihn selber um.


Appell

Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmt. Rechnet nicht damit!“
(Zur Frage der deutschen Beteiligung am Irak-Krieg, 21. Januar)
Durch den negierten Appell mit der Du-Position sowie der Wiederholung des negierten Appells baut Schröder Sympathie und vielleicht auch Vertrauen auf, weil Krieg von der Bevölkerung in der Regel nicht gewünscht wird.


Emotionale Aussagen
„Weil wir, ich darf es mal pathetisch sagen, mit jeder Faser des Herzens daran hängenden Frieden zu bewahren und darum auch kämpfen wollen“.
(Nach dem EU-Gipfel am 17. Februar)
Das Herz als Symbol der Emotion wird in seine umgangssprachlich kleinsten Elemente (Faser) zerlegt, im Rahmen des Pathetischen. Das Herz steht auch als Metapher für die kämpferische Leidenschaft um den Frieden.


Betonung durch Rhetorische Stilmittel
„Ein Land, in dem Kinder so gut betreut werden, dass Sie beim Spielen lernen können und beim Lernen das Spielen nicht vergessen.“
(Regierungserklärung 29. Oktober, Zur kinderfreundlichen Politik der Bundesregierung)
Das Rhetorische Stilmittel des Chiasmus (Kreuzstellung) betont den gewünschten Zusammenhang zwischen Spielen und Lernen.


Vor einer Gruppe (z.B. Pressekonferenz oder Ausschuss)

Eigene Beurteilung
Es steht mir nicht zu mich selbst beurteilen. Aber ein befriedigend als Urteil hielte ich für ungerecht“.
(Kommentar nach Regierungserklärung 17. März 2003)
Bescheidene Aussage zur eigenen Urteilsfähigkeit über sich selbst. Aufwertung der eigenen Rede durch setzen eines Maßstabes (ungerecht wäre das Urteil befriedigend).


Rituale
Journalist: „Guten Morgen Herr Schröder, wie geht es?“ „Und wie geht es Ihnen...nach diesem Wahlergebnis...die CDU hat keines ihrer Ziele erreicht“
(Nach der Bundestagswahl, 23. September 2002)
Schröder erkundigt sich nach dem Befinden als Gegenfrage auf die Frage des Journalisten und führt so von der für einen Augenblick bestehenden persönlichen Ebene hin zur beruflichen. Er setzt hier das Milton-Sprachmuster von scheinbarer Mehrdeurtigkeit ein.


Körperliche Verletzungen
„Nichts Politisches also, ein bisschen Mitleid kann ich vielleicht erwarten.
(Zu der beim Tennis zugezogenen Oberschenkelverletzung 17. Juni 2003)
Den Diminuitiv des Mitleides verbindet Schröder mit einer wohl nur halbernstgemeintem Forderung von Mitleid. Durch den mitschwingenden Humor erzeugt Schröder eine persönlichere Nähe zu dem fragenden Journalisten.


Abgrenzung gegenüber Kritik
„Herr Abgeordneter, so funktioniert das nicht. Jede Frage von Ihnen beginnt mit einer Vorverurteilung“
(Vor dem Untersuchungsausschuss „Wahllüge“, 4. Juli 2003)
In dieser einer Verhörsituation ähnlichen Befragung nutzt Schröder das Mittel der unpersönlichen Ansprache. So grenzt er die Vorgehensweise mit dem Hinweis auf das Nicht-Funktionieren von funktionierenden Vorgehen ab.


Erklärung von positiver Absicht
Ein Onkel, der auch etwas mitbringt, ist sehr viel besser als eine Tante, die nur zum Klavierspielen kommt“
(Gastgeschenk von fünf Stipendien an vietnamesische Studenten 17.Mai 2003)
Die für jeden leicht nachvollziehbare Analogie mit dem Onkel verdeutlicht die positive Absicht hinter der dem Vorgehen Schröders, Gastgeschenke in Form von Stipendien zu ermöglichen.


Im Vier-Augen-Gespräch (z.B. Interview)

Zum Umgang mit Leid
„Krieg berührt jeden und Leiden von Menschen im Krieg erst recht.“
(Zu den Empfindungen bezüglich des Irak-Krieges 28. März 2003)
Durch den Einsatz des Universalquantors „jeden“ wird eine scheinbare Gemeinschaft geschaffen. Scheinbar insofern, als dass es historisch verbürgt immer wieder Menschen gab, die ganz offensichtlich nicht vom menschlichen Leiden im Krieg berührt waren. Der Einsatz von Universalquantoren (immer, überall etc.) beinhaltet automatisch eine Tilgung der jeweiligen Ausnahmen der Regel. Derartige Vereinfachungen sind besonders bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten geeignet, da hier zuviel Komplexität die Hörer und Zuschauer eher irritiert.


Zu eigenen inneren Prozessen
„Ich habe Zweifel, ob das noch gelingt, aber ich gestatte es mir nicht, diese zu leben.“
(Vor der Beginn des Irak-Krieges)
Interessant an diesem Beispiel ist zu Beginn die in der bestehenden politischen Kultur eher unübliche Offenlegung von Zweifeln. Diese werden dann aber, vermutlich zur Beruhigung, wieder ausgeräumt, indem sie einfach nicht gelebt werden dürfen. Schröder greift hier zum Mittel der Nominalisierung: Der kognitiv-emotionale Prozess des Zweifelns gerinnt zu feststehenden Zweifeln, die man sich einfach selbst verbieten kann, so wie man eine Brille ab- oder aufsetzt. Oder haben Sie schon mal einen Zweifel erlebt, den Sie in eine Schubkarre legen können?


Zur Trennung von Meinung und Person
Zunächst, diese Meinungsverschiedenheit, die eine gravierende ist, das ist gar keine Frage, die trübt nicht meine freundschaftliche Beziehung zu Tony Blair. Es gibt riesige andere Bereiche, wo wir identische Interessen und gemeinsame Auffassungen habe. Und zum Schluss wird sich herausstellen, dass es unter Freunden, und wir sind Freunde, möglich sein muss, in einer gravierenden Frage unterschiedlicher Meinung zu sein und die Freundschaft gleichwohl weiterbestehen zu lassen.“
(Über die Beziehung zu Tony Blair 28. März 2003)
Zu Beginn gesteht Schröder die Schärfe der Meinungsverschiedenheit („die eine gravierende ist“) ein mit einem einleitenden Adverb („zunächst“) und nimmt somit Kritikern den Wind aus den Segeln. Die trotzdem bestehenden Gemeinsamkeiten werden als Rapport-Element mit dem Superlativ „riesig“ bezeichnet und somit sprachlich über die „gravierende“ Meinungsverschiedenheit gehoben. Durch eine Prognose des Annäherungsprozesses wird ein persönlicher Glaubenssatz und Wert objektivierend dargestellt („wird sich herausstellen“): In einer Freundschaft muss es „möglich sein“, unterschiedliche Meinungen zu haben. Dieser Glaubenssatz bringt uns den Medienkanzler, den wir vom Fernseher kennen, näher.


Abgrenzung der eigenen Meinung
Ich teile Ihre Bewertung nicht: Worum geht es? Sie wollen an etwas festhalten, dem die reale Grundlage entzogen ist. Wenn sich die wirtschaftliche Basis einer Gesellschaft so radikal verändert, kann man nicht so tun, als hätte das keine Auswirkungen.“
(Zur Frage, ob die internen Zwistigkeiten um die Agenda 2010 beunruhigend seien, 28. März 2003)
Schröder grenzt sich, ohne den Interviewer in seiner Person anzugreifen, von dessen Urteil ab (ich teile sie nicht) und setzt danach das rhetorische Stilmittel der offenen Frage ein („worum geht es“). Damit nutzt er eine kommunikative Weisheit: Wer fragt, der führt. Auf diese Weise kann er elegant sein Bild der Wirklichkeit einführen, ohne dieses weiter zu belegen („dem die reale Grundlage entzogen ist“).


Betonung zentraler Überzeugungen oder Werte
Die Wahrheit muss man einfach sagen, man muss nachzeichnen, was man zur Vermeidung des Krieges getan hat, was man mit den Partnern getan hat und man muss deutlich machen, worum es geht.“
(Auf die Frage, wie er beispielsweise seiner Tochter die Entwicklung des Irak-Krieges erklären würde, 28. März 2003)
Ein Komplexbegriff wie „Wahrheit“ wird simplifizierend benutzt, so als wäre es möglich, die Wahrheit „einfach nur (zu) sagen“. Wahrheit für wen? Unter welchen Bedingungen? Unter welchen Zielsetzungen? Darüber hinaus fällt noch auf, dass hier gleich dreimal etwas getan werden „muss“, was die Dringlichkeit und Notwendigkeit eines bestimmten Handlungsbedarfs deutlich unterstreicht.


Zum Abschied eines Systems
„Der allgegenwärtige Wohlfahrtsstaat, der den Menschen die Entscheidungen abnimmt und Sie durch immer mehr Bevormundung zu Ihrem Glück zwingen will, ist nicht nur unbezahlbar, er ist am Ende auch ineffizient und inhuman.“
(Regierungserklärung am 29.10.2002 zur Zukunft des Wohlfahrtsstaates)
Der Wohlfahrtsstaat wird als Bevormundung und Abnahme von Selbstverantwortung umgedeutet. Ein geschicktes Reframing, das es erlaubt, zukünftig einen anderen Weg einzuschlagen: ein jahrzehntelang gedientes Gesellschaftssystem ist auf diese Weise schnell entwertet.

„Ich bin sicher: Die SPD in Ihrer Gesamtheit weiß, um es mit Hegel zu sagen, dass die eigentliche Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit ist.“
(Zum internen Widerstand zur Agenda 2010, 19. April 2003)
Eine Partei, die aus Tausenden von Mitgliedern besteht, wird zu einem Organismus, der angeblich in seiner Gesamtheit das weiß, was Schröder für richtig hält. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich alle Mitglieder über das Hegelsche Bonmot einig sind. Auf diese Weise werden etwaige Widersprüche getilgt und Schröders Ansicht steht als Konsens da. Darüber hinaus nutzt er in einem kleinen Nebensatz („um es mit Hegel zu sagen“) die Möglichkeit, all diejenigen, denen Hegel ein Begriff ist, anzusprechen. So kann er sich in diesem eher akademischen Kreis geschickt positionieren.


Kritik an eigenen Kollegen
„Ich sag daher all denen, die es in den Tagen zur persönlichen Profilierung an die Öffentlichkeit drängt: Dann lasst uns streiten über den richtigen Weg und die richtigen Personen“
(Interview mit (Zur Kritik in den eigenen Reihen zur Agenda 2010, 19. April 2003)
Einer Führungskraft wird es nicht genommen, eigene Kollegen zu kritisieren. Dies sollte zur Vermeidung späterer Konflikte möglichst sozialverträglich geschehen, es sei denn jemand glaubt an den Spruch: Viel Feind, viel Ehr. Schröder löst die Aufgabe der Kritik an Kollegen, indem er diese indirekt anspricht und sie zu einem gemeinsamen Streit auffordert. Auf diese Weise entsteht, trotz der Differenzen, ein Gefühl von Gemeinsamkeit.


Gerhard Schröder über sich im Selbstbild
„Die Kanzlerkandidatur wäre mein Traum, die Sache liegt nicht in meiner Hand.
(Zur Frage nach seiner persönlichen beruflichen Vision)
Aus NLP-Sicht lässt sich hier die Gegenüberstellung des Träumers und des Realisten feststellen. Schröder greift zu zwei Teilen des Walt-Disney-Modells. Damit zeigt er sowohl visionäre Größe wie Bescheidenheit, was eine eindrückliche Balance dieser beiden Persönlichkeitsanteile darstellt.

„Um erfolgreich zu sein in der Politik, muss man nicht nur vernünftige Ideen haben. Man muß auch in der Lage sein, die Ideen mit der eigenen Person zu verbinden und für die Umsetzung zu stehen.“
(Zum eigenen Selbstmarketing)
Hier gibt Schröder einen Einblick in eine Ministrategie, um in „der“ Politik erfolgreich zu sein. Dabei wird zunächst ein gemeinsames Politikverständnis vorausgesetzt (Präsupposition), nämlich das der bestehenden politischen Kultur, ohne diese zu hinterfragen. Im weiteren spricht er von „vernünftigen“ Ideen, was ein gutes Beispiel für die Vagheit des Milton Modells ist. Schließlich ist jeder Zuhörer zu einer Interpretation gezwungen, was er unter „vernünftig“ versteht. Allerdings ist dieses Wort bei den meisten Menschen positiv konnotiert und insofern eine geschickte Wahl. Kaum jemand wird etwas gegen vernünftige Ideen einzuwenden haben. Der zweite Teil der Ministrategie besteht dann in einem geschickten Umgang mit dem Thema geistiges Eigentum. Abgesehen von der Frage, ob es etwas derartiges überhaupt geben kann, erklärt Schröder einfach kurzerhand, die vernünftigen Ideen mit der eigenen Person zu verbinden, ungeachtet der Frage, ob es eben seine oder anderer Leute Ideen sind. Ansonsten: Wieder der auffällige Einsatz von „müssen“, wie bei der Betonung zentraler Überzeugungen und Werte.


III) Zusammenfassung der Sprachmuster und Lerntransfer

Zusammenfassung

Im Kontakt mit Gruppen
  • Adverbien („im übrigen die Meinungsverschiedenheit mit Toni Blair“) und Diminuitive („da haben wir noch ein bisschen Arbeit vor uns“) zur Abschwächung und Einleitung von Aussagen
  • Ich-Aussagen zur sachlichen Abgrenzung der Oppositionsmeinung als andere Haltung („Ich sage:“) ohne persönlichen Angriff
  • Blick in die Zukunft mit Appellen“ und „Ihr“-Ansprachen („lasst uns daran soweit und solange es geht daran festhalten“ und umgedeuteten Problemen („es ist besser unglaubliche Überzeugungsarbeit zu leisten als vom Hurrapatriotismus, den es ja auch schon in der deutschen Geschichte gegeben hat, auszugehen“)
  • Verwendung von Metapher, rhetorischen Stilmittel („nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts“ und reimähnliche Begriffspaaren zur Betonung („es ist möglich und nötig“) oder Steigerungen („und die noch schönere Erfahrung menschlicher Nähe“)
  • Bei politischen Gegnern abgrenzen und betonen der Mehrheiten („Sie sitzen auf der Oppositionsseite, sie saßen da und Sie werden da sitzen bleiben“)


Im Kontakt mit Einzelnen
  • Perspektivenwechsel („ähnlich wie Ihre Perspektive und die der Menschen, die uns zuhören“)
  • Bei Kritik anonyme Ansprache des Adressaten („und der bayerische Kandidat sagt:“)
  • Ich-Aussagen zur Abgrenzung von anderen Meinungen („ich teile Ihre Bewertung nicht“) Trennung Meinung und persönlicher Kontakt mit Betonung der Gemeinsamkeiten im Kontakt („Zunächst, diese Meinungsverschiedenheit, die eine gravierende ist, das ist gar keine Frage, die trübt nicht meine freundschaftliche Beziehung zu Tony Blair. Es gibt riesige andere Bereiche, wo wir identische Interessen und gemeinsame Auffassungen habe.“)
  • Emotionale Aussagen mit Analogien („das ist ja unglaublich, welche Verdächtigungen da gestreut werden“) und Einblick in Entscheidungen („das war einer der Gründe, weshalb wir gesagt haben: okay, wenn die Mehrheit einen Sonderparteitag wünscht, dann haben wir keine Grund, den zu verweigern“)
  • Den Machtbereich erhalten („Besonders unsympathisch an mir ist eine Neigung, andern übers Maul zu fahren, sie abzubügeln, sich nicht entwickeln zu lassen“) Gerhard Schröder ist offenbar in der Lage sowohl „elaboriert“ („um es mit Hegel zu sagen“) als auch umgangssprachlich“(„wir finanzieren das auf Pump“) Formulierungen zu verwenden. Hier mögen dem sozialen Aufsteiger seine Erfahrungen auch in niedrigeren gesellschaftlichen Schichten behilflich sein.


Modelling und Lerntransfer: Optionen für Führungs- und Kommunikationstrainings
Ein entscheidendes Element für den Erfolg einer Weiterbildungs- oder Trainingsmaßnahme besteht im geglückten Lerntransfer, also der Anpassung und Generalisierung an die gewünschten Anwendungskontexte. Die in der Bildungs- oder Trainingsmaßnahme vermittelten Inhalte müssen im Berufsfeld angewendet werden können. Es reicht nicht, wenn Trainingsteilnehmer innerhalb eines Trainings die zu trainierenden Zielfähigkeiten erfolgreich durchführen. Das Thema des Lerntransfers stellt sich auch für das Thema Modelling.

Wenn ein Training den erforderlichen Ansprüchen zur Kompetenzvermittlung genügt, zeigt sich bei den Teilnehmern ein Zuwachs an Wissen und Kompetenz im Vergleich zum Ausgangsniveau, mit dem die TeilnehmerInnen in das Training gekommen sind. Nach Abschluss des Trainings fällt diese gesteigerte Lernkurve meist allerdings wieder ab. So entsteht eine Differenz zwischen dem im Training und dem im Alltag erreichten Kompetenzniveau, die als „Transferlücke“ bezeichnet wird. Der Erfolg eines Trainings verhält sich somit umgekehrt proportional zu der Größe der Transferlücke: je kleiner diese ausfällt, desto größer der Erfolg des Trainings (und jeglicher Bildungsmaßnahme). Schätzungen zufolge liegt die Transferquote lediglich bei 10-20%, womit also umgekehrt rund 80% der Aufwendungen (Seminarkosten, Produktionsausfall, Zeit und persönlicher Einsatz der TeilnehmerInnen u.a.m.) für eine Bildungsmaßnahme in der Transferlücke verschwinden.

Aus diesem Grund sollte dem Lerntransfer in einer Bildungs- oder Trainingsmaßnahme hohe Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, von denen einige auch direkt während eines Trainings anwendbar sind: Der Einsatz praxisorientierter Lernformen, der Wechsel von theorie- oder konzeptbezogenem Lernen sowie praktischen Übungen. Darüber hinaus hilft der Fokus auf handlungsleitende Kognitionen und das Training metakognitiver Fähigkeiten. Zudem steigert das Thematisieren möglicher Transferblockaden am Ende eines Trainings die Transferquote (ausführlich: Zeuch 2003b).

Wie könnten die hier vorgestellten Sprachmuster im Rahmen des Lerntransfers bei Modelling verwendet werden? Denkbar ist durchaus, diese in Trainings und Coachings als didaktische Unterfütterung aufzunehmen: Speziell für Personen, die in der Verantwortung für eine Vielzahl von Menschen stehen, im Kontakt mit Medien sind und bereits über Grunderfahrungen mit der Entwicklung professioneller Kommunikation verfügen. Wir denken hier beispielsweise an Führungs- , Kommunikations- oder Rhetoriktrainings. Wobei auch noch weiterführende Konzepte möglich sind, indem der Modellingprozess selbst in die Seminare mitaufgenommen wird (Zeuch 2003). Die doch eher vagen Muster scheinen in einer Zeit des raschen Wandels sinnvoll. Sie geben die grobe Richtung vor, ohne sich in eigene Widersprüche zu verwickeln.

Die sachlichen Muster fast ohne direkte persönliche Angriffe unterstützen eine Gesprächsatmosphäre von Sachlichkeit und Respekt vor dem Anderen in seiner Andersartigkeit. Modelling als didaktische Analyse würde im Beispiel von Schröder zu folgenden Lerninhalte führen: Diminuitive zur Abschwächung und Einleitung von Aussagen („Im Übrigen...“ ), anonyme Ansprache von Gegnern („der bayerische Kandidat hat die Haltung: ... “), Umdeutungen von aktuellen Situationen als Herausforderungen für die Gesellschaft

Wir können uns durchaus vorstellen, dass jeder Mensch im beruflichen und im privaten Kontext durch das eine oder andere Sprachmuster in seinen bewährten Mustern bereichert werden kann. Der Hinweis auf die Erfolgsmuster ohne Personenkult ist erfahrungsgemäss eine wichtige Rahmenbedingung. Der Hinweis, dass diese Muster bereits in der Praxis Erfolg bewiesen haben, ist sicherlich eine Motivation für jeden Lernenden.

Modellings können zu weiteren Zwecken eingesetzt werden. Es ergeben sich ebenso Möglichkeiten der privaten Entwicklung von Fähigkeiten wie beispielsweise der Kindererziehung oder einer professionellen Nutzung, beispielweise die Delegation von Führungsverantwortung: Modelling kann im Rahmen von Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklungen eingesetzt werden, zum Beispiel bei Kommunikations- oder Sozialkompetenztrainings. Darüber hinaus sind Anwendungen in Teamentwicklungen möglich, indem sich beispielsweise die Teammitglieder hinsichtlich einer Zielkompetenz gegenseitig unter Anleitung eines Beraters modellieren (Vgl. Zeuch 2003).

Wir können uns vorstellen, dass Modelling künftig in Unternehmen mehr und mehr eine zentrale Rolle einnehmen wird. Vielleicht wird in einigen Jahren in Unternehmen neben den klassischen Centern wie Personal und Marketing der Bereich Modelling vertreten sein.


Methodik des Transfers
Im Wesentlichen werden drei Schritte beim Modellieren unterschieden:
  1. Die Erfolgsmuster zu erkennen
  2. Die zur Person passenden Muster auf das persönliche Ziel zu adaptieren
  3. Dieses Destillat konsequent zu trainieren
Methodik des Transfers


Im ersten Schritt wird beim expliziten Modellieren das Modell durch den Modellierenden befragt. Das Einnehmen der Perspektive des Modells erfolgt meist durch den Interviewer. Denkbar wäre, diese Perspektive durch eine dritte Person, beispielsweise einen Schauspieler, durchführen zu lassen. Für den zweiten Schritt der Synthese durch Coaching bieten sich Prozessschritte an:
  • Auswahl des Modellverhaltens z.B. Trennung von Person und Meinung bei einem Konflikt
  • Auf der Ich-Position reflektiert der Adaptierende seine bisherigen Muster zum ausgewählten Modellverhalten.
  • Auf der Modell-Position empfindet der Adaptierende in allen Sinnen das Modellverhalten nach.
  • Auf der Synthese-Position entwickelt der Adaptierende mit Hilfe von Coaching sein persönliches Muster. Dieses persönliche Muster ist authentisch zum Adaptierenden und beinhaltet Muster des Modellverhaltens.
Im dritten Prozessschritt Training bieten sich als Methoden Praxissimulationen im Rahmen eines Trainings oder Schattentage in der Real-Situation an.
  • Beim Training simuliert der Adaptierende Praxis-Situationen mit Simulationspartnern, die nach der Pareto-Regel idealerweise 80 % der Themen des Modellverhaltens abdecken. Das Feedback erfolgt durch den Partner, den Trainer und die Videoaufzeichnung.
Literatur
  • Anda, Kleine, Gerhard Schröder, 2002, München, Ullstein
  • Lasko, W. W. & Frenzel, F. Magie der Erfolgreichen, 1996, Paderborn, Junfermann
  • Lawley, J. (1998): Introducing Modelling to Organisations. Rapport magazine 40, Summer 1998
    (http://www.devco.demon.co.uk/Modelling.html)
  • Reckert, H.-W.; Dilts, R., Kraft, H., Mayer, L.S., Stocker,T. (2003): Coaching und Unternehmensentwicklung – das Buch als Coach. Berlin: Pro Business
  • Reckert, H.-W., Zeuch, A., Panthöfer, A., 2003, Die Sprache des Kanzlers, unveröffentlichtes ausführliches Script zu diesem Artikel (erhältlich über kontakt@dr-reckert.de)
  • Senge, P. (1990): The fifth discipline. The Art and Practice of The Learning Organization. New York, London, Toronto u.a.: Current Doubleday
  • Tompkins, P. (1998): Symbolic Modelling and the Emergence of Background Know-ledge. Rapport magazine, 39, 1998 (http://www.devco.demon.co.uk/Background.html)
  • Zeuch, A. (2000): Nicht nur das Herz des NLP: Modeling und seine Möglichkeiten. Multimind. Zeitschrift für professionelle Kommunikation, Mai/Juni: 26-32
  • Zeuch, A. (2003a): Modelling – Innovation für Kommunikationstrainings? Vortrag am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität-Bochum im Rahmen der Reihe „Dialoge. Forum für professionelle Kommunikation.“ Online-Publikation unter www.a-zeuch.de
  • Zeuch, A. (2003b): Training professioneller intuitiver Selbstregulation. Theorie, Empirie und Praxis. Dissertation an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Universität Tübingen. Online Publikation in der Universitätsbibliothek Tübingen:
    http://w210.ub.uni-tuebingen.de/dbt/volltexte/2003/885
Wir danken Herrn Dr. theol. habil. Dipl. Psych. Manfred Maßhof-Fischer für seine Impulse.


Vorstellung der Autoren
Dr. Horst-W. Reckert, Bankkaufmann, Dipl.-Psychologe, NLP-Lehrtrainer. Tätig als Trainer Coach und Berater, Inhaber einer Coaching-Praxis (mit lösungsorientierten Kurzzeitmethoden, www.dr-reckert.de), Herausgeber von Coaching und Unternehmensentwicklung- das Buch als Coach (Pro Business-Verlag, 2003) Dr Horst W. Reckert
Dr. Andreas Zeuch, Dipl.-Musiktherapeut, NLP-Trainer, DIALOG-Prozessbegleiter. Tätig als Systemischer Berater, Trainer und Coach. Unternehmenstheater (Events, Trainings und Change Management), langjährige Beschäftigung mit dem Thema Modelling. Internet: www.a-zeuch.de & www.professionelle-intuition.de Dr. Andreas Zeuch
Andreas Panthöfer, Nachrichten-Chef Radio7 (Württemberg), NLP-Practitioner, Inhaber Andreas Panthöfer Medien-Beteiligungs GmbH, andreas.panthoefer@radio7.de Andreas Panthöfer

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